Sonntag, 5. August 2012

Kurzgeschichte: Gravitation (Abschluss der Anthologie)


BookRix Wettbewerb Juli: "Man muss das Unmögliche versuchen um das Mögliche zu erreichen"
Wettbewerb beendet auf Rang 4.

Mein bis dato größter Erfolg bei einem Contest hat auch viel Wehmut in mir zurückgelassen. Ich wünschte mir sogar Rang 5. Denn mit einem Punkt vor Platz 3 zu scheitern ist bitter. Ein undankbarer Platz, aber ich kann mich allmählich mit ihm anfreunden.

Lange war mir nicht klar, ob ich überhaupt noch einmal die Motivation finden werde, zu schreiben. Ob ich jemals meine Anthologie, Gravitation, beenden werde. Der Wettbewerb war letztendlich eine gute Idee. Ich freue mich über das sehr wohlwollende Feedback. Dabei wusste ich nicht einmal, in welche Richtung die Geschichte verlaufen wird. Letztendlich passt Gravitation gut zu den anderen Geschichten, bin aber immer noch der Meinung, sie besitzt zu viele Ähnlichkeiten mit "Auf dem Mond sind die Erdbeben erträglicher". Auch musste ich, aufgrund der begrenzten Seitenanzahl, die Geschichte ein wenig kürzen. Normalerweise bin ich ja bekannt dafür, etwas mehr ins Detail zu gehen. Dennoch habe ich beschlossen, sie nicht weiter zu bearbeiten und mehr Inhalt hinzuzufügen.

Zeit, Gravitation als Anthologie hinter mir zu lassen und etwas neues zu starten. Ich denke, dann wird auch Jeff Buckley endlich seinen Auftritt haben. Ein wenig anders werden die neuen Geschichten aber schon werden. Aber jetzt erst einmal, viel Spaß mit Gravitation. Das Finale meiner gleichnamigen Anthologie.

Inhalt:

Großstadt-Depressionen. Eine passende Diagnose für einen Steppenwolf. Doch auch einsame Steppenwölfe brauchen Liebe. Da trifft unser Protagonist eine Frau, die seine ganze Welt durcheinander bringen wird. Und die Fähigkeit, fliegen zu können, scheint sie ebenfalls zu beherrschen.

Gravitation
Ein schwereloses Großstadtmärchen

1.
Steppenwölfe sind einsam (Album Edit)

Für Teenager ist vermutlich jeder zweite Sommer, Der Sommer ihres Lebens. Kann mich nicht daran erinnern, so etwas jemals selbst gesagt zu haben. Warum sollte ich das auch? Kann ich so weit in die Zukunft blicken, dass ich sagen kann: Hey, das war eindeutig der Sommer meines Lebens. Ich habe gesoffen wie ein Irrer, und ich habe keine Ahnung mehr, mit wie vielen Frauen ich geschlafen habe. Aber bedenke ich, wie sehr es bei mir im Schritt juckt, waren es bestimmt mehr als fünf. Vielleicht bin ich mit meinen dreiundzwanzig ja auch einfach nur altklug und gönne den Teenies ihren frühreifen Spaß nicht. Je länger Doktor Aytekin seinen Tee vorbereitet, desto mehr verfalle ich mal wieder in sinnlose Gedankengänge. Wie lange kann man nur einen Tee zubereiten? Kriegt er die Extrazeit, die er mit mir verbringt, wohl auch von meiner Krankenkasse bezahlt? Das bezweifle ich. Er ist jemand, der tut sich das freiwillig an. Er hört sich auch nach Feierabend immer noch die langweiligen Geschichten seiner Patienten an. Na, was solls, ich hatte sowieso nichts mehr vor. Welcher Tag ist Heute? Oh stimmt, es ist Freitagabend. An einem schönen Julitag.

Aus der Küche seiner kleinen Privatpraxis höre ich Geschirr klappern. Der Duft von Marokkanische Minze weht mir entgegen. Bei dieser Hitze ist mir nicht wirklich nach heißem Tee, aber ich will ja nicht unhöflich wirken. Ich mache es mir im Ledersessel ein wenig bequem, lockere mich, lockere mein Hemd, welches vor lauter Schweiß an meinem Rücken klebt. Ohne ein Tröpfchen Schweiß auf seiner Stirn, kehrt Doktor Aytekin zurück auf seinen Platz. Er reicht mir eine Tasse Tee, ungesüßt, wie immer.

„Herr Kuhl, die beste Medizin für sie wäre, und das kann ich ihnen nur immer wieder sagen, suchen sie sich ein süßes Mädchen, gehen sie mit ihr aus. Es ist Sommer, auch ein einsamer Steppenwolf sollte doch da eine genau so einsame Wölfin finden.“
Ich schaue Doktor Aytekin verdutzt an. Ich tue so, als würde mich der Tee interessieren, als würde ich gleich einen Schluck nehmen, und ihm dann antworten. Doch wieso nicht? Ich werde genau so vorgehen! Es verschafft mir die Zeit, um über seine Aussage nachzudenken.
„Nun, Doktor, ich dachte, dafür wäre der Frühling gedacht?“
Wunderbar. Ein dümmerer Kommentar konnte mir darauf nicht einfallen. Ich sehe ihn grinsen.
„Worauf ich eigentlich hinaus will, Herr Kuhl, ich werde sie nicht medikamentös behandeln. Ihr Leiden wird sich dadurch eher verstärken. Aber darüber werden wir in der nächsten Sitzung ausführlicher sprechen. Doch beenden wir erst einmal diese Sitzung mit unserem wöchentlichem Resümee. Was hat sie Heute besonders geärgert, Herr Kuhl?“
Ich überlege kurz, nippe wieder an meinem Tee, weiß aber längst, was ich sagen will.
„Eindeutig der Typ aus der Bahn. Der den Hitlergruß gemacht hat.“
„Ok, und wieso erzürnt sie das so? Sie brauchen sich davon doch gar nicht persönlich angegriffen fühlen“, sagt er und richtet seine Brille dabei. Obwohl er den heißen Tee durch seine Kehle gießt wie Wasser, scheint ihm einfach nicht heiß zu werden. Ob das die Veranlagung macht, wenn man in einem heißen Land aufgewachsen ist?
„Wissen sie, es liegt einfach daran, ich verstehe es nicht. Er stand auf, hob seine Hand, und lallte einen Hitlergruß runter. Alle Leute haben ihn schräg angeschaut. Als er dann auch noch begann „Tage wie diese“ zu singen, da fiel ich in ein tiefes Loch. Es war einfach furchtbar peinlich. Alleine sein bloßes auftreten war provokant.“
Doktor Aytekin nickt, er sog die Wörter von mir behutsam ein. Vermutlich wird er nun wieder irgendein absurdes Fazit von sich geben.
„Herr Kuhl, sie machen sich da viel zu viele Gedanken. Sie halten sich zu sehr mit anderen Leuten auf, als sich viel mehr mal Gedanken über sich selbst zu machen. Das ist etwas, woran wir auch in Zukunft arbeiten müssen. Ok, und, zum Wochenabschluss, ihre Frage, die sie am meisten beschäftigt.“
Endlich kommt der Teil, auf den ich mich am meisten freue. Mal sehen, was er darauf antworten wird.
„Meine Frage beschäftigt sich diesmal mit moderner Popmusik. Wenn Xavier Naidoo am Abend auf dem Sofa liegt, so zum entspannen und dabei Musik hört, glauben sie, hört er wohl seine eigene Musik?“
Doktor Aytekin schaut mich fragend an.
„Erläutern sie das bitte.“
„Ich meine, hört er seine eigene Musik? Wenn er sich seine alten Songs anhört, wird er sich doch bestimmt denken: „Man, habe ich damals geile Musik gemacht“. Ich frage mich das immer wieder.“
Oh nein, ich habe ihn verärgert, er schüttelt mit dem Kopf.
„Herr Kuhl, sie sollen sich über ernste Dinge Gedanken machen. Aber gut, darauf kann ich ihnen keine Antwort geben. Eine letzte Frage, haben sie endlich mit dem Steppenwolf begonnen? Hesse wird nicht jünger.“
Er nervt mich mit der Frage seit Wochen. Besser, ich erfülle ihm den Wunsch.
„Ich wollte genau nach dieser Sitzung zur Buchhandlung.“
„Sehr anständig, Herr Kuhl. Dann beenden wir die Sitzung für Heute, und machen dann nächste Woche weiter. Ich hoffe, sie werden sich dann mal etwas ernstere Gedanken über unsere weiteren Planungen gemacht haben.“

Ich stehe auf und verabschiede mich freundlich und wünsche Doktor Aytekin ein schönes Wochenende. Seit 2 Jahren befinde ich mich bei ihm in der Therapie. Diagnose: Großstadt-Depressionen. Auch wenn er manchmal etwas sentimental wird, könnte ich mir keinen besseren Psychologen vorstellen. Ich fühle mich bereits wesentlich gelassener als noch im letzten Jahr. Es ist ein angenehmes Gefühl. Und so trüb ich auch denken mag, der Moment, aus der recht düster gehaltenen Praxis zu kommen, und anschließend auf dem Dortmunder Westenhellweg zu stehen, an einem warmen Juliabend, der ist unbezahlbar. Ich atme tief ein und schaue mir meine Umgebung genau an. Der Himmel färbt sich allmählich orange und die Sonne geht langsam unter. Es ist 19:30 und die meisten haben gleich Feierabend und machen sich ausgehfertig. Und für die meisten wird der Abend um 23 Uhr bereits ein Ende finden, wenn sie, bereits alkoholisiert, nicht in den Club gelassen werden. Ich mache mich auf zur Buchhandlung. Und Doktor Aytekin hatte unrecht bei der letzten Sitzung. Das ist kein Wetter für Steppenwölfe, sondern eindeutig Wetter für Verliebte. Da meine letzte (und vermutlich einzige) Partnerschaft circa 10 Jahre in der Vergangenheit liegt, kann ich natürlich nicht beurteilen, wie sich das Gefühl des Verliebtseins in seinen Zwanzigern anfühlen mag.
Zielstrebig nähere ich mich der Buchhandlung. Beängstigt von der eigenen Motivation, trete ich ein und wandere in die Abteilung für Belletristik. Die Menschen um mich herum kommen mir lediglich wie Pappaufsteller vor. Irgendwie unheimlich.
Ich steuere auf das Regal zu, in dem sich die Titel mit den Autoren befinden und deren Nachnamen mit H beginnen. Hesse, Hermann. Und Jackpot. Der Steppenwolf. Gebundene Ausgabe zum Sonderpreis. Bisher habe ich einen großen Bogen um diesen Klassiker gemacht, aber Doktor Aytekin meint, die Geschichte wäre bei meiner Art von Depressionen sehr interessant für mich. Ich marschiere zur Kasse, bezahle das Buch, werde unfreundlich und unpersönlich bedient, und verlasse die Buchhandlung.
Ich stehe am Platz von Netanya und bekomme die Eingebung, dass ich noch gar nicht nach Hause will. Mir ist nach einem Cocktail zumute. Ich muss lediglich meine Motivation fragen, was sie davon hält. Doch darauf verzichte ich Heute einfach mal, und genieße stattdessen meine schier unbändige Motivation. Ich steuere auf die Jazzbar domicil zu. Habe beschlossen, mich dort niederzulassen. Und je nachdem, was mein Portemonnaie hergibt, werde ich den ein oder anderen Cocktail trinken.
Ein Raunen ertönt aus den Räumlichkeiten, und das, obwohl ich immer noch vor der geschlossenen Eingangstür stehe. Es scheint irgendein Event im Gange zu sein. Ich trete ein, und liege richtig. Der große Bee Gees Karaoke Abend. Hurra! Das darf ich mir nicht entgehen lassen. Ich brauche nur den krummen und schiefen Stimmen zu folgen die mich in die erste Etage weisen. Als ich mir einen Platz suche, fällt mir das angenehm gedimmte Licht im Saal auf. Ich habe mich, mit breitem grinsen, für einen der Plätze vor der Bühne entschieden. Da sitzt er nun, der einsame Steppenwolf. Ein Steppenwolf, der belustigt werden will. Eine charismatische, weibliche Bedienung gesellt sich prompt zu mir. Ich bestelle einen Zombie. Obwohl der Saal beinahe komplett voll ist, erhalte ich nach wenigen Minuten bereits meinen Cocktail. Während alle gespannt auf den nächsten Sänger warten, genehmige ich mir große Schlücke von meinem eisgekühlten Zombie. Nach circa fünf Minuten betritt eine kleine Asiatin die Bühne. Sie ist so zierlich, dass es den Anschein macht, niemand würde auf der Bühne stehen. Dabei bedecken ihre langen Haaren auch noch ihr Gesicht. Schüchtern blickt sie ins die Menge, mit besonderen Augenmerk auf einen Tisch, an dem noch einige andere Asiaten sitzen. Diese lachen und amüsieren sich. Vermutlich hat das arme Mädchen eine Wette verloren.
Plötzlich ertönt die Melodie von You Win Again. Und das Drama beginnt. Mit schriller Stimme und in schlechtem Englisch, fängt sie an zu singen.

I cudnt figer why, you cudnt gif me wat evrybodie nieds, I shudnt let you kick me wen I'm daun, my Baybie.

Vielleicht ist es der Cocktail, oder meine gute Laune, ich kann mich jedenfalls nicht mehr zurückhalten. Ich lache. Tränen lache ich, während das Mädchen auf der Bühne bald Tränen vor Scham weint. Mehrere Leute drehen sich zu mir um, sehen, wie mir Tränen über die Wangen laufen. Ich lache ganz eindeutig, und daran besteht kein Zweifel, jenes arme Mädchen auf der Bühne aus. Oh! Und jetzt kommt auch noch der Refrain.

There no fait, you can't fait, this bettle of lowe with me, you wien again, so little time we do nossing but complete.

Als der Song endet, wird sie dennoch unter tosendem Applaus verabschiedet. Und obwohl ich immer noch lache, applaudiere ich mit. Ich denke, sie hat den kompletten Saal sehr gut unterhalten. Außerdem war sie auch noch ganz hübsch anzuschauen. Und trotz so viel Entertainment wünsche ich mir allmählich, vielleicht nun einmal einen Auftritt zu sehen, der ein wenig meine Ohren schont.
Während mein Cocktail immer mehr meine Nerven und Synapsen betäubt, schaue ich gebannt zur Bühne. Obwohl noch kein brauchbarer Karaoke-Teilnehmer bisher dabei war, ist die Atmosphäre wirklich sehr angenehm. Plötzlich werden die Lichter gedimmt. Warum denn das? Wenn es zu dunkel wird, bekomme ich doch immer Beklemmungen! Vielleicht sollte ich gehen? Nein! Ich will wissen, wer da nun kommt. Unter nicht vorhandenem Applaus betritt eine hinreißende Frau die Bühne. Ein schlichtes weißes Top und eine genau so schlichte Bluejeans. Ihre Brüste kommen verdammt gut zur Geltung in dem Outfit. Ihre brünetten Haare reichen fast bis zu ihren Hüften. Ausgerüstet ist sie mit einer schwarzen Akustikgitarre. Ich bin hin und hergerissen. Und mit einem Instrument hat sich auch noch niemand auf die Bühne gewagt. Die Stille im Saal wiegt Tonnen. Langsam stimmt sie die Gitarre an. Ihr Blick absorbiert alle Menschen in ihrer Umgebung. Dann lächelt sie. Ihre Augen verspeisen mich. Noch erkenne ich den Song nicht, doch als sie beginnt, zu singen, wird es mir langsam klar, es handelt sich um eine Akustikversion von Nights on Broadway. Ihre Stimme ist der schiere Wahnsinn. Kaum mit Worten zu erklären. Here we are, in a room full of strangers. Der Text ist perfekt auf ihre Situation zugeschnitten. Ich beginne zu schwitzen. Es ist mir unangenehm, aber ich nehme es hin.
Ich scheine außerdem so benebelt von dem Gesang zu sein, dass sich ein rauchiger Dunst vor meinem Blickfeld bildet. Doch falsch gedacht. Es handelt sich nicht um einen schönen Traum, es ist einfach Zigarettenqualm. Mein Blick wandert überraschend nach Rechts. Meine Tischnachbarin bläst mir den Qualm provokant entgegen. Und dennoch lächelt sie. Verkehrte Welt? Ich komme nicht umhin, zu fragen, was das soll.
„Sonst geht’s dir noch gut, oder?“, rutscht es mir etwas schroffer raus, als ich es eigentlich vorhatte.
„Mir geht’s sogar ausgezeichnet! Ich setze mich zu dir, Ok?“
Ohne auf meine Antwort zu warten schnappt sie sich ihren Stuhl und gesellt sich samt Drink und Zigarette zu mir. Sie duftet gut. Kein Lucky Strike Duft. Meine Nase nimmt tatsächlich einen sehr lieblichen Duft war. Sie muss ungefähr in meinem Alter sein. Ihre Haare sind pechschwarz und Schulterlang. Ihr blasses Gesicht ist hübsch anzuschauen. Sie trägt ein schwarzes Top, und der Rest ihrer Haut ist mit einigen Tattoos versehen. Ich komme nicht umhin, an Lisbeth Salander aus diesen Millennium Romanen zu denken.
Mir ist ganz unbehaglich zumute. Was will sie bloß von mir?
„Ok, sie ist grandios. Sie sieht super aus und singt den Song fantastisch. Eine klasse Interpretation. Gewöhne dich aber nicht am hohen Niveau. Ich habe den Typ hinter der Bühne gesehen der gleich Tragedy singen wird. Ich hoffe, du hast Oropax für uns beide dabei. Denn die Kopfstimme dieses langen Vollidioten wird wohl unser Trommelfell zerschmettern.“
Sie kichert. Es klingt unglaublich süß. Ich hingegen klammere mich an mein Glas fest und bringe kein einziges Wort heraus. Ein Steppenwolf weiß mit solch einer Situation doch nichts anzufangen. Vor Freude müsste ich eigentlich ein melancholisches Ahuuuu ausstoßen (aber das würde wohl noch andere einsame Wölfe anlocken), immerhin hat sich eine Frau freiwillig zu mir gesetzt.
Sie ist nun wirklich keine Schönheit im eigentlichem Sinne, aber an ihr haftet etwas besonderes. Und nun, obwohl ich sie voll im Blickfeld habe, schmachtet sie mich auch noch sehnsüchtig an. Sie scheint wohl keine Hemmungen zu haben.
„Tut mir ja echt leid, dich so zu überrumpeln, aber du wirktest wie ein einsames Stachelschwein. Und naja, ich bin..... ich bin auch ein Stachelschwein. Und wenn Stachelschweine sich nicht zu sehr einander nähern, tun sie sich auch nicht gegenseitig weh.“
Ich will sie heiraten. Noch mehr Schweiß bricht aus. Jetzt wird sich zeigen, was ein 48 Stunden Antitranspirant Deo so alles kann.
„Und außerdem.....“
„Ja?“
„Und außerdem, ich wollte solch einen Moment immer mal erleben.“
„Was für einen Moment denn?“ frage ich sie verdutzt.
„Ha, ich meine, eine Fremde Person in der Bar ansprechen. Eigentlich ist das ja die Aufgabe des Mannes. Aber du schaust so verängstigt, du machst eher den Eindruck, als seist du bereits zu schüchtern, dir ein Getränk zu bestellen.“
Ich muss unweigerlich anfangen zu lachen. Wovor hatte ich mich eigentlich gefürchtet?
„Sag, was möchtest du trinken? Du bist eingeladen“.
Heilige Scheiße! Ich wachse ja noch über mich hinaus.

2.
Gravitationslift

Sie hat mir ihren Namen verraten. Agnieszka. Das sei polnisch und ich solle sie doch bitte Nikki nennen. Das sei das japanische Worte für Tagebuch. Warum sie sich allerdings so nennt, verriet sie mir nicht, sie grinste einfach nur.
Außerdem behielt sie recht was den langen Vollidioten anging, der Tragedy gesungen hat. Ein furchtbarer Auftritt. Die Stimme in Verbindung mit seinen grobmotorischen Bewegungen wirkten ungemein komisch. Mittlerweile ist der Karaoke-Abend jedoch beendet und es wird wieder normale Musik gespielt. Im Augenblick säuselt All of my Love von Led Zeppelin aus den Boxen.

„Du bekommst es vermutlich oft zu hören, aber haben die alle eine Bedeutung, deine Tattoos?“
Sie überlegt kurz.
„Teilweise. Aber eigentlich lasse ich mich tätowieren, weil ich einfach Bock darauf habe. Aber allmählich reicht es auch mal.“
Sie stützt ihr Gesicht in ihre Hände, sieht gedankenverloren aus.
„Und dann noch eine Frage. Warum ich? Also ich würde einfach mal behaupten, eine langweiligere Freitagabend-Gesellschaft als mich dürfte es nicht geben. Und ich will mich hier echt nicht unter Wert verkaufen, ich staple hier sogar noch ziemlich hoch.“
Jetzt wandert ihr Blick zu mir. Wieder dieses Grinsen. Ich kann es nicht zuordnen.
„Wusstest du, dass es in Sydney einen Gravitationslift geben soll? In weniger als 2 Minuten soll es möglich sein, von der untersten Etage bis zum höchsten Stockwerk eines riesigen Wolkenkratzers zu gelangen.“
Das war nicht unbedingt die Antwort auf meine Frage. Wie kommt sie da bloß auf so etwas?
„Was soll denn bitteschön ein Gravitationslift sein?“
„Frag mich was leichteres! Aber das bedeutet doch, irgendwann, kurz bevor du das höchste Stockwerk erreicht hast, wirst du einmal schwerelos sein. Ganz bestimmt.“
„Das ist doch ein Märchen, wo hast du so etwas gehört?“
Ich sprach diese Worte aus, ohne darüber nachzudenken, denn plötzlich wirkte ihr Gesichtsausdruck ziemlich traurig.
„Eines der tollsten Gefühle, abgesehen von Schokolade, Sex, trinken und Musik hören, dürfte doch wohl die Schwerelosigkeit sein. Stell dir mal die Dortmunder Skyline an einem schönen Sommerabend wie diesen vor. Du schwebst über die Stadt, hast alles in deinem Blickfeld. Ein milder Wind weht dir entgegen. Und du schwebst so wie es dir beliebt. Und diesen Moment einmal auszukosten, auch wenn man in so einem Gravitationslift steckt, der ist doch wohl einfach der absolute Hammer! Du hast ja keine Phantasie! Wären mir Flügel gewachsen, dann wäre ich längst durch die Lüfte geflogen und würde jeden Winter im Süden verbringen.“
„Du würdest wirklich zurückkehren wollen? Ehrlich gesagt, ich habe genug vom Stadtleben.“
Ich schaue in ihre Augen. Sie funkeln. Sie ist in Gedanken versunken. In Gedanken vom Fliegen. Sie hat ihre Umgebung komplett ausgeblendet. Obwohl wir uns vielleicht gerade mal 2 Stunden kennen, spüre ich eine Vertrautheit. Als ob ich lange nach ihr gesucht hätte und umgekehrt. Und dann ist da noch diese unendliche Sehnsucht in diesem Blick. Doch wonach sehnt sie sich nur? Allein mit ihr hier zu sitzen stellt mich vor Rätseln.

Es geht auf die 23 Uhr zu. Ich hörte die Bedienung zu einem Gast sagen, der Saal würde gleich schließen. Ich stupse Nikki an, die mich verwirrt anschaut.
„Die machen hier oben gleich zu, wollen wir gehen?“
„Oh, ja, natürlich. Lass uns raus hier. Die Luft wird bestimmt nun sehr angenehm sein da draußen“, flüstert sie sanft zu mir.

3.
Tonight, we are young. So let's set the world on fire (Hast du auch eine Person, die du nach Hause bringen kannst?)

Ich bezahle die Rechnung und wir verlassen das domicil. Die Luft draußen hat sich ein wenig abgekühlt, es ist aber immer noch unglaublich mild. Keiner von uns hat anscheinend vor, Heim zu gehen (oder spricht diesen Gedanken in irgendeiner Form aus). Ich spaziere mit einer für mich eigentlich fremden Frau durch die Stadt.
Nikki fällt mit all den Tattoos auf. Die Straßen der Dortmunder Innenstadt sind immer noch gut besucht, immerhin beginnt nun die Zeit, in der das Nachtleben an diesem Wochenende startet. Doch wir beide schlendern lediglich abwechselnd den Osten- und Westenhellweg entlang. Reden über Gott und die Welt. Wir scheinen ein kurioses Paar abzugeben. Ich sehe verschlafen und desillusioniert aus, und sie könnte, bei ihrer kleinen Größe, meine kleine Schwester sein. Vielleicht eine kleine Schwester von 16 Jahren, dafür mit etlichen Tattoos. Ja, ein sehr seltsames Paar. Als wir am Platz von Leeds ankommen, bleibt Nikki stehen und muss grinsen. Mit ihr stehen jedoch noch eine menge weiterer Leute an der gleichen Stelle und klatschen in die Hände. Ein junger Sänger trägt seine eigene Interpretation von We are young vor. Er hat eine tolle Stimme, packt aber meiner Meinung zu viele Emotionen in den Song. Doch wieso lacht sie? Ich komme nicht umhin, sie zu fragen.
„Was ist so spaßig? Er macht das doch gar nicht schlecht“.
„Du hast schon recht. Aber hör dir mal den Song an. Immer, wenn ich ihn höre, muss ich an so einen kitschigen Coming of Age Film denken. Einer dieser Filme, wo die Protagonisten sich am Ende noch einmal alle gemeinsam treffen und über ihre gemeinsamen Zeiten aus der Vergangenheit nachdenken. Und dabei wird dieser Song gespielt. Melancholisch und hoffnungsvoll zugleich. Selbst der Bad Boy der Schule gehört plötzlich zu der Clique und alle haben ihn gern. Und dann kommt der Abspann. Und dann hat man doch irgendwie das Gefühl, man müsse gleich anfangen, zu heulen.“
Mir fehlen die Worte. Warum bloß? Sie bringt mich völlig in Verlegenheit.
„Also, laut dem Text des Songs müssten wir nun folgendes tun. Die Bar hat geschlossen und ich fühle mich etwas müde. Jetzt bräuchte ich nur noch jemanden, der mich heim bringt.“
Ich kralle mich mit meinen Finger an meiner Jeans fest. So etwas kann sie mich doch nicht fragen.
„Aber, meine Mitbewohnerin, ja, sie studiert ebenfalls, hat ihre Tage und Männerbesuch ist absolut Tabu.“
Puh! Noch einmal Glück gehabt.
„Daher würde ich einfach mal sagen, es geht zu dir. Also, worauf warten wir?“
Ich glaube, ich werde nun auch noch rot. Und ich sehe plötzlich, wie sich alle Leute zu mir umdrehen, starren mich an und lachen mich aus. Weil sie meine Gedanken lesen können und bemerken, wie ich vor Nervosität gerade zu einer breiigen Masse zerfließe.
„Alles klar, auf zu mir! Wobei du dich bestimmt ärgern wirst. In meiner Höhle wirst du dich bestimmt langweilen.“
Sie kommentiert diesen Part nicht, symbolisiert mir aber mit einem unglaublich charmantem Lächeln, dass sie damit kein Problem hat.
Während wir mit der Bahn zu mir fahren, unterhalten wir uns nicht. Ich bin immer noch nervös. Es ist jedoch eine dieser angenehmen Nervositäten. Wenn ich in ihr Gesicht schaue, scheint sie wieder in ihren Gedanken verloren zu sein. Vermutlich fliegt sie gerade mit ihren Flügeln über ein imaginäres Dortmund.
Nach nur 15 Minuten Bahnfahrt und einen kurzen Fußweg kommen wir bei mir an. Zum Glück haben sich meine Eltern entschieden, ohne mich an die Mosel zu fahren. Wir haben die Wohnung für uns. Ich sage ihr, sie soll es sich im Wohnzimmer bequem machen. Als ich im Bad bin, höre ich, wie der Fernseher vor sich hin plärrt. Nun, schüchtern scheint sie nun wirklich nicht zu sein, wenn sie bereits die Fernbedienung gefunden hat.
Ich stehe vor dem Spiegel und schaue mich an. Erkenne mich selbst kaum. Weiß nicht, was sie an diesem Gesicht anziehend finden könnte. Und schon wieder dieses seltsame Gefühl. Weiblicher Besuch, in meinen Räumlichkeiten. Ihr Duft wird sich allmählich immer mehr in der Wohnung ausbreiten. Als ich zurückkomme, sehe ich, wie sie es sich auf dem großen Ledersofa bequem gemacht hat. Ich geniere mich noch, doch sie signalisiert, ich solle mich zu ihr setzen. Etwas schüchtern geselle ich mich zu ihr. Die kleine Lampe beleuchtet das Wohnzimmer mit gedimmtem Licht. Wortlos lehnt sie nach einer Zeit ihren Kopf an meine Schulter. Ich verkrampfe etwas. Es muss Ewigkeiten her sein, wo sich ein solch angenehmes Gefühl in meiner Magengegend ausbreitete. Es ist ein echtes kribbeln in meinem Bauch. Ich spüre jeden Atemzug von ihr. Wie gerne würde ich sie nun berühren.
Im Fernsehen läuft irgendein Pay-TV Musiksender. Der Sound ist sehr leise eingestellt, ich kann den Song nicht identifizieren, der dort gerade gespielt wird.
„Oh man, ich bin ja so eine Heulsuse“, gibt sie plötzlich von sich. In ihrer Stimme liegt tatsächlich ein gewisses Beben. Und da überkommt es mich, ich lege, wie ein junge bei seinem ersten Date, meinen Arm um sie. Ihr scheint es nichts auszumachen.
„Schau doch mal! Panorama-Aufnahmen von New York. Dazu läuft irgendeine gefühlsduselige Musik, darunter der Wetterbericht und die aktuellen Börsenkurse. Ich werde so traurig, wenn ich das sehe. Man kann in der Ferne sogar ein Feuerwerk sehen. Es läuft einfach Musik, und dazu werden diese Panorama-Aufnahmen aus der Luft gezeigt. Absolut schwerelos. Bekommst du da nicht auch Fernweh?“
Ich sollte das Thema wechseln. Doch wie? Eine ihrer Tätowierungen scheint mir jedoch den Weg zu weisen. An ihrem Schlüsselbein entdecke ich nämlich einen Schriftzug. Mein Griff um sie wird etwas fester, selbstsicherer.
„Was steht denn da? Wenn ich fragen darf“, und deute mit meinen Finger auf ihr Schlüsselbein. Sie nimmt meinen Zeigefinger, und führt ihn auf ihre Haut.
„Das da meinst du?“
Ich schlucke.
„Ja.“
Sie zieht ihr Top aus. Nun sitzt sie nur noch in BH und Jeans vor mir. Nun kann ich den Schriftzug aber perfekt erkennen.
Man muss das Unmögliche Versuchen, um das Mögliche zu erreichen.
„Hast du dir das ausgedacht“, frage ich naiv.
„Nein du Dummerchen. Das ist von Hesse“.
Schon wieder Hesse. Er verfolgt mich.
„Und, glaubst du dran? Finde ich ein bisschen zu optimistisch.“
„Nun, Heute Abend funktionierte er bereits ganz gut.“
„Wie kommst du darauf?“
„Na! Unser Date gleicht doch wohl einem perfekten Hollywood-Szenario. Für viele unmöglich so etwas zu erreichen. Doch ich ergriff die Initiative und habe dich angesprochen.“
Sie fängt an, süß zu lachen. Ihr trüber Blick ist fort.
„Und glaubst du, dieser Spruch wird dir auch bei deinen Flugversuchen helfen?“
„Ich sollte es bald mal ausprobieren“, grinst sie.
Dann küsst sie mich. Ganz ohne Vorwarnung. Und ich lasse es einfach geschehen. Im Fernsehen läuft weiter der Musiksender der endlos viele Aufnahmen vom nächtlichen New York zeigt, und dabei sentimentale Musik spielt. Ja, auch wenn es sich hier nur um ein Szenario eines Filmfreaks handelt, ich bin glücklich. Ich schwebe. Bin schwerelos. Sitze im Gravitationslift und genieße die Fahrt.

Am nächsten Morgen hat mich Nikki recht früh verlassen. Ein Wiedersehen wäre möglich, sagte sie. Aber auch das müsse dem Zufall überlassen werden. Ich sollte mich jedoch des öfteren an Freitagen und Samstagen im domicil aufhalten.
Wäre ich nicht am nächsten Morgen neben ihr aufgewacht, hätte ich zwischen Realität und Traum nicht mehr unterscheiden können. Doch Agnieszka ist echt. Alles in dieser wundervollen Nacht war echt. Und vielleicht ist es ja gar nicht so übel, sich nie wiederzusehen. Auch wenn die Sehnsucht bereits jetzt, zwei tage später, ziemlich groß ist.


4.
Steppenwölfe sind einsam (Final Mix. Extended Edition)

Zwei Wochen später

Ich sitze in Doktor Aytekins Praxis. Es kommt mir vor, als würde es heiß, und immer heißer von den Temperaturen her werden. Und er schwitzt immer noch nicht. Erneut trinken wir unseren heißen Tee. Mitten im Sommer. Und wieder einmal vergießt er keine Schweißperle.
„Jedenfalls, Herr Kuhl, es freut mich, sie so entspannt zu sehen. Sie wirken wesentlich ausgeglichener. Ist denn wirklich nichts positives vorgefallen in letzter Zeit?“
Ich habe Doktor Aytekin nichts von Nikki, nichts von diesem Freitagabend von vor zwei Wochen erzählt.
„Nein, Herr Doktor.“
Vielleicht verrät mich das Funkeln in meinen Augen. Er sagt jedoch nichts weiter.
„Und, haben sie den Steppenwolf bereits ausgelesen?“
„Japp, ein grandioser Klassiker“, lüge ich. Ich bin bisher noch nicht einmal über die ersten fünf Seiten gekommen. Dennoch macht er ein ernstes Gesicht.
„Was bedrückt sie, Dok? Es muss doch nervig sein, sich immer die Geschichten fremder Menschen anzuhören.“
Doktor Aytekin lächelt.
„Ich dürfte ihnen das gar nicht erzählen, Herr Kuhl. Aber eine junge Frau ist Gestern vom Dortmunder Fernsehturm gesprungen. Und sie war ausgerechnet auch noch die Patientin eines guten Kollegen. So etwas nimmt mich ziemlich mit. Und das sind auch ganz und gar keine Geschichten, die sie hören sollten, wobei es mich wunder, dass sie davon noch nichts mitbekommen haben.“
Da überrollt mich mit voller Wucht ein tonnenschwerer LKW. Mir wird schlecht. Traue mich nicht, weiter ins Detail zu gehen, und mehr zu fragen. Solch einen Zufall kann es nicht geben.
„Steht das in irgendeiner Tageszeitung?“
Er reicht mir wortlos die aktuelle Ausgabe der Ruhr Nachrichten. Auf Seite zwei befindet sich im regionalen Teil ein großer Artikel über eine junge Frau, die Selbstmord begangen hat. Das mysteriöse an der Geschichte ist, auf der Plattform des Dortmunder Fernsehturms fand ein Besucher eine Mappe. Und in dieser Mappe soll sich ein Drehbuch zu einem Film befunden haben. Weitere Details stehen dort nicht, aber es soll anscheinend der Frau gehört haben. An dieser Stelle lege ich die Zeitung aus der Hand. Ein Schauder breitet sich über meinen gesamten Körper aus. Mir wird so kalt, als hätte jemand die Klimaanlage auf die höchste Stufe gestellt. Es fröstelt mich. Und das einzige, woran ich denken kann, ist, die Praxis von Doktor Aytekin zu verlassen. Schnell richte ich mich auf.
„Verzeihen sie Herr Doktor. Aber im Drehbuch steht, dass ich nun schockiert ihre Praxis verlassen muss.“
Ohne das Doktor Aytekin die Situation auch nur irgendwie zuordnen kann, bin ich aus seiner Praxis gestürmt.

Wie vor zwei Wochen marschiere ich planlos den Osten- und Westenhellweg entlang. Ja, ich beruhige mich wieder. Kann meine Gedanken nun etwas besser ordnen. Und, ja, es besteht die Möglichkeit, dass es sich um eine ganz andere Person handelt. Im Artikel war kein Name vermerkt. Wiederrum, ich habe ihn auch nicht ganz gelesen. Würde ich mich trauen, ihn komplett zu lesen? Niemals! Nach einer Zeit beschließe ich, das domicil zu besuchen. Wir haben zwar wieder Freitag, einen Themenabend gibt es am heutigen Abend jedoch nicht. Ich versuche dennoch den Abend von letztens so gut es geht zu wiederholen. Ich sitze wieder auf dem gleichen Platz und bestelle mir einen Zombie. Austauschbare Jazzmusik wird gespielt. Die Zeit vergeht und ich bin und bleibe allein. 23 Uhr. Der Saal in der ersten Etage wird nun geschlossen. Die Lichter gehen an. Und plötzlich fühle ich eine warme Hand auf meiner Schulter, die sich an mein verschwitztes Shirt krallt. Schnell drehe ich mich um.
„Verdammt! Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein“, sage ich viel zu laut und spreche ins Leere. Die Leute schauen mich an.

Auf meinem Heimweg realisiere ich es allerdings. Ich werde Nikki nicht wiedersehen. Und egal, ob sie nun die junge Frau ist, von der Doktor Aytekin gesprochen und die Ruhr Nachrichten berichtet hat, oder nicht, ich werde sie nie wiedersehen. Denn sie ist fort geflogen. Streckte ihre großen Weißen Flügen aus und flog einfach, ohne mir Bescheid zu geben, fort. Ich glaube, ich verstehe nun, was Nikki empfand, als sie die Bilder im Fernsehen sah. Und obwohl ich mich zurückhalten kann, fällt es mir schwer, die Tränen zu unterdrücken.
Man muss das Unmögliche Versuchen, um das Mögliche zu erreichen.
Sehr wahrscheinlich, dass sie gerade mit Hesse einige Cocktails an einem exotischen Strand von Hawai trinkt. Danke, Nikki, dass ich ein Protagonist in deinem Drehbuch sein durfte. Ich hoffe, deine Geschichte hat ein Happy End gefunden.

Ich steige aus der Bahn. Ich friere immer noch. Heute ist mal wieder Steppenwolf-Wetter. Und wenn ich nur genau hinhöre, höre ich sie heulen. Sie sind meine Weggefährten. Meine genau so einsamen Weggefährten, denen ich vermutlich niemals begegnen werde.


Ende

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