Montag, 30. April 2012

Kurzgeschichte: Good Luck My Way



Good Luck My Way war für mich die Antwort, auf eine Frage, die ich mir seit längerem stelle. Bin ich überhaupt im Stande dazu, optimistische Geschichten zu schreiben? Ohne Melancholie oder Trübsal? Um endlich eine Antwort zu finden, nahm ich an dem vergangenen BookRix Kurzgeschichten Wettbewerb teil. Eine gute Gelegenheit, mir selbst zu beweisen, ich ich, ganz kurz und bündig, etwas einigermaßen brauchbares schaffe. Die Themenvorgabe war "Tor". Ich entschloss mich daher für eine fernöstliche Geschichte voll von Romantik vermischt mit Fußball.

Mein Ziel, mindestens eine abgegebene Stimme zu erhalten habe ich mehr als erfüllt. Insgesamt war es eine gute Entscheidung für mich, am Wettbewerb teilzunehmen. Ob ich diese Weg weitergehen werde, bleibt abzuwarten.

Inhalt:

Nur ein einziger Schuss trennt den letzten Schützen der japanischen Fußballnationalmannschaft zum Einzug ins Halbfinale der Weltmeisterschaft. Doch weiß er, steckt hinter diesem Schuss viel mehr. Seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, seine Träume und große Liebe, liegen in diesem letzten Schuss.


Genre:

Romantik, Sport



Gewidmet all den rastlosen Seelen des Tohoku-Erdbeben von 2011




Good Luck My Way




1.
Ganbatte Round 1 (Gib dein Bestes)


Ein idyllischer Juliabend neigte sich dem Ende. Die Szenerie wurde vom Sonnenuntergang in einen melancholischen Schleier gehüllt. Es kam einen fast vor, als ob die grünen Natsume Hills alles für zwei verliebte Teenager vorbereitet hätten. Tatsächlich waren an diesem Freitagabend die meisten Bewohner auf dem Sommerfest. Und es war an sich, jene Stelle, die nur Sakurasada und Kotono kannten. Ganz oben auf dem Hügel, hinter einem dichten Gestrüpp, da war ein kleiner Platz der diese herrliche Aussicht auf die verträumte Stadt bot. Aus der Ferne war bereits die Musik des jährlichen Sommerfestes zu vernehmen. Das Echo von Menschen, die sorglos feierten, tranken und aßen, hallte bis zu den Hügeln hinaus. Ein wenig klangen die fernen Stimmen, als würden sie aus einer anderen Dimension stammen. Beide erst fünfzehn Jahre alt, war es die mutige Kotono, die Sakurasadas verängstigte Hand ergriff. Und es war nicht nur seine Hand, sondern jede Faser seines Körpers, die mit Schüchternheit überzogen und vor Nervosität am beben war. Sie waren verliebt, beide. Und obwohl dies eigentlich der Anbeginn einer süßen Teenager Romanze werden sollte, standen eher die Fahnen des Abschiedes auf Halbmast. Das Schiff der Abreise war bereit, Segel zu setzen.
>>Sag, Sakura. Wieso hast du dich nicht vorher getraut, mich anzusprechen? Ich meine.... für so etwas hier. Wir kennen uns doch nun bereits einige Jahre.<<
Sakurasada ertappte sich dabei, wir er kurz in Kotonos Gesicht schaute, aber sofort wieder verlegen den Blick auf die Stadt richtete. Ihm fehlten, wie so oft, die Worte in Anwesenheit eines Mädchens. War er bei seinen grundsätzlich männlichen Freunden doch meistens der Draufgänger. Dennoch nahm er seinen Mut zusammen und antwortete Kotono, die fest seine Hand hielt.
>>Gute Frage. Wir sind doch Freunde. Du kennst die Geschichten, alles, was nach einer Freundschaft kommt, nimmt meistens keinen guten Ausgang. Und du weißt doch, wie schüchtern ich in der Gegenwart eines Mädchens bin.<<
>>Nein! Der waghalsige Sakura gibt zu, in der Gegenwart eines Mädchens, schwach zu werden? Das ist ja süß.<<
Es war ein neckisches Kichern von Kotono. Mit der noch freien Hand zerzauste sie ihm, wie man es bei kleinen Jungs meistens tut, das lange Haar.
Wahrscheinlich war es Kotonos Unbeschwertheit die Sakurasada die Hemmungen nahm. Denn er konterte.
>>Lach du nur! Du kannst doch nicht einmal, aufgrund deiner Komplexe, in der Gegenwart von anderen Menschen, Essen zu dir nehmen!<<
Er begann zu lachen. Kotono verkrampfte ihr Gesicht und zog eine Grimasse und stürzte sich nun komplett auf Sakurasada. Dieser wehrte sich jedoch und konnte die schmächtige Kotono in Schach halten. Wie zwei verspielte Welpen rangelten sie auf der Wiese. Das Gerangel kam zum Halt als Sakurasada nun auf Kotono lag. Diesmal konnte er seinen Blick nicht so einfach von ihr abwenden. Und dieser Blick war voller Sehnsucht. Eine lange Zeit sagten sie nichts. Doch dann sah er ihre glasigen Augen. Ein Gesichtsausdruck, der mehr als tausende von Worte hätte sagen könnte. Mit einem sicheren Griff umschlang sie Sakurasada und zog ihn zu sich runter. Ohne jede Vorwarnung küsste sie ihn. Er war bei der ganzen Aktion selbst nur ein Statist. Zuerst berührte sie sanft seine Lippen mit den Ihren. Dann kam ihre Zunge zum Einsatz. Sakurasada erschrak etwas weil ihre Zunge seine Lippen kitzelte. Natürlich wanderte sie danach in seinen Mund. Ihre Zunge sehnte sich danach, mit der von Sakurasada zu verschmelzen. Sein erster Kuss. Ihr erster Kuss? Er konnte es nur vermuten, aber diese Bewegungen waren etwas zu gekonnt für das erste mal. Sakurasada kam es wie Äonen vor. Dieser Moment. Dieser Kuss. Je länger er dauerte, desto mehr bemerkte er auch das Gefühl, dass sich innerhalb seines Unterleibs etwas regte. Es war zwar nicht das erste mal, dass er fühlte wie eine Erektion ihn überkam, doch so seltsam wie in diesem Moment fühlte es sich noch nie an. Sakurasada schwebte in anderen Dimensionen. Allerdings wurde er recht unsanft aus dieser Dimension entlassen. Genau so gekonnt wie ihre Bewegungen mit der Zunge, war auch ihr Griff, ein Griff der seine Weichteile erreichte. Erneut fing sie an, zu kichern, während Sakurasadas schmerzerfüllter Blick sie noch mehr zu amüsieren schien.
>>Sakura! Du Ferkel. Das kannst du dir für das nächste mal aufheben.<<
Bei diesen Worten empfand er Schmerzen und Freude zugleich. Was würde wohl beim nächsten mal passieren? Doch wollte Sakurasada, zum Wohle seines Penis, nicht darüber nachdenken. Nach dem intensiven Kuss richteten beide sich wieder auf. Es vergingen Stunden wo die beiden einfach nur dasaßen und zuschauten, wie allmählich die Stadt durch ihre Lichter beleuchtet wurde. Nun war es jedoch an Sakurasada, etwas unangenehmes auszusprechen. Dies kostete wohl den Rest seines Mutes und seiner Courage, der noch verblieben war.
>>Ich habe ein Stipendium bekommen Kono. Und ich werde im nächsten Jahr nach Tokio ziehen. Wenn alles gut läuft, könnte ich bald bei einer bekannten Mannschaft in Deutschland spielen. Ein Talent-Scout, so sagt mein Trainer, hat bereits seit längerem ein Auge auf mich geworfen. Ich werde die Stadt in weniger als 6 Monaten verlassen. Du bist die erste, die davon weiß, außer meinen Eltern natürlich. Aber, Tokio ist doch nicht weit entfernt. Es muss hier nicht enden.<<
Kotono schwieg. Blickte anschließend in den Himmel, an dem langsam die Sterne zu funkeln begannen. Sakurasada wartete vergeblich auf eine Antwort. Allerdings war ihre Geste, nach dem kurzen Schweigen, mehr als eine Antwort, die man mit Worten hätte ausdrücken können. Sie rutschte so dicht an Sakurasada ran, bis sie sich beide berührten. Nun schauten sie beide in den nächtlichen Himmel. Nach etlichem überlegen ergriff Sakurasada die Initiative und umfasste mit seinem Linken Arm Kotonos Taille. Sie gab einen zufriedenen Laut von sich. Kaum hörbar. Nach einer Weile sagte sie dann folgende Worte: >>Ganbatte, Sakura. Ganbatte. Gib alles, was du hast<<.




2.
Verlängerung Runde 1


10 Jahre später. Fußballweltmeisterschaft Nordamerika/Kanada. Los Angeles. Viertelfinale: Japan Vs. Niederlande. Elfmeterschießen.


Der Kommentator wirkte angespannt. Mit diesem Ausgang hätte er nicht gerechnet. Nach einer mäßigen Leistung in der Gruppenphase, schaffte es das Japanische Team ins Achtelfinale. Doch wie ausgewechselt schossen sie den haushohen Favoriten Frankreich aus dem Turnier. In Japan herrschte eine Welle der absoluten Euphorie. Und die schien auch im Team angekommen zu sein. Die Auslosung gegen den nächsten Gegner im Viertelfinale war jedoch noch ein wenig hoffnungsloser als das bereits harte Los gegen Frankreich im Achtelfinale.


Es war ein heißer Abend in Los Angeles. Auch um 20 Uhr, kurz vor dem Anstoß, schwitzten die Fans im Stadion, welches zu einem wahren Hexenkessel mutierte, immer noch. Doch neben der Hitze machte sich auch schnell Enttäuschung im Stadion breit. Bereits zum Ende der ersten Hälfte lag das japanische Team mit 2:0 hinten. Eigentlich eine Aussichtslose Lage. Aber irgendwie konnten sie sich bis zum Ende der Spielzeit auf ein Unentschieden retten. Dieses verwalteten sie wacker bis zum Ende der Nachspielzeit. Nun würde das Los des Glücks entscheiden. Das Elfmeterschießen nahte. In weniger als 15 Minuten würde entschieden sein, welche Mannschaft das Halbfinale der Fußballweltmeisterschaft erreichen würde. Aber auch beim Elfmeterschießen lagen die Mannschaften gleich auf. Immer mal wieder lag eine Mannschaft einen Punkt vorne oder hinten. Gegen Ende hat es die japanische Mannschaft jedoch geschafft, sich mit zwei Punkte abzusetzen. Nur noch ein verwandelter Elfmeter trennt <font;_italic>Nippon </font>vom Einzug ins Halbfinale. Dabei konnten weder Gegner, noch die Mannschaft selbst verstehen, wie sie diese Energie noch aufbringen konnten.


Der letzte Schütze machte sich bereit. Die Nummer 25. Murakami. Alle Augen nur auf ihn gerichtet. Seine Teamkollegen wünschten ihm zum Abschied Glück. Einige umarmten ihn sogar. Er schaute ein wenig unsicher drein. Murakami schnappte sich den Ball und marschierte dennoch zielbewusst auf das Tor zu. Es erschien ihn übermächtig groß. Ungefähr so riesig, wie das Tor von Rashomon. Und der gegnerische Torwart war ein antiker Wächter, der das heilige Tor bewachte. Murakami versuchte die Gedanken zu verscheuchen. Er wischte sich den Schweiß ab, richtete sein Haarband und legte den glänzenden Lederball auf den Elfmeterpunkt. Gellendes Jubeln und unverständliches Raunen dröhnte aus den Rängen der Zuschauer beider Nationen. Murakamis blicke wanderten durch die Ränge. Suchend. Wonach er Ausschau hielt, wusste er aber vermutlich selber nicht. Das einzige, was jetzt noch zählte, war der Ball, der Torwart und natürlich dieses übermächtige und große Tor. Er musste lediglich diesen Schuss verwandeln. Danach würde Japan nicht nur im Halbfinale einer Fußballweltmeisterschaft stehen, nein, auch er hätte sein persönliches Ziel erreicht. Ob danach die Welt untergeht, oder ein dritter Weltkrieg ausbricht, war ihm in diesem Moment gleich. Er musste lediglich diesen Elfmeter verwandeln. Die vielleicht letzte Pflicht, die er in seinem noch jungen Leben erfüllen musste.




3.
Ganbatte Round 2: Good Luck My Way


5 Jahre früher. Tokio, Shinjuku.


Sie erwartete ihn nicht wirklich bei der Zeremonie. Natürlich lud sie ihn ein. Doch könnte er sich das wirklich antun? Immerhin würde sie heiraten. Und ganz bestimmt nicht <font;_italic>ihn</font>. Sakurasada. In ihrem Leben würde er nicht den Platz an ihrer Seite einnehmen. Kotono erhielt nie eine Antwort auf die Einladung. Sie hatte Sakurasada in den vergangenen drei Jahren nicht mehr gesehen. Das Ende ihrer knapp zweijährigen Beziehung fand ein jähes Ende, als er, kurz nach ihrem zweiten Jahrestag, fortan für einen Verein in der deutschen Bundesliga spielen würde. Auch Kotonos Eltern, die bereits mit der Fernbeziehung zwischen ihrem kleinen, verschlafenen Dorf und Tokio nicht einverstanden waren, rieten ihr, diese Liebschaft, so lange sie noch gut verlief, zu einem Ende zu führen. Die Tage der Teenager-Jahre würden bald ein Ende finden. Auf der anderen Seite des Spiegels wartete die Welt der Erwachsenen.
Kotono brachte ihm schonend bei, dass ihre Beziehung vor einer unlösbaren Aufgabe stehen würde. Sie wusste, für ihn war es die Chance seines Lebens. Das versprach man ihm im Stipendium, wenn er weiter solche Leistungen auffahren würde.
Es fiel Sakurasada nicht leicht, doch er wusste, es blieb ihm nichts anderes übrig, als Kotonos Entscheidung zu akzeptieren. Sie trennten sich in Freundschaft. Hielten Brief und E-Mail Kontakt. Doch auch dieser verringerte sich mit der Zeit, bis er, kurz nach Kotonos Neunzehnten Geburtstag, komplett abbrach. Sie hatte Sakurasada des öfteren in Briefen erwähnt, dass sie, an einer Universität in Tokio, einen jungen, angehenden Manager einer renommierten Bank kennengelernt habe. Der letzte Brief an Sakurasada war schließlich die Einladung zu ihrer Hochzeit. Dabei dachte sie sich immer, ob es vielleicht seinen Stolz verletzten würde. Und da er auch nicht auf der Hochzeit auftauchte, interpretierte sie dies auch so.


Nach der kirchlichen Zeremonie (alle Gäste schnellten bereits gut gelaunt auf die chaotischen Straßen Shinjukus, um den Festsaal aufzusuchen, der zu diesem Anlass gemietet war), sagte Kotono ihrem Ehemann, sie bräuchte noch etwas Zeit für sich. Sie setzte sich auf eine der Bänke und starrte auf ein Fresko, welches bildlich die Sintflut nacherzählte. Es war ihre Entscheidung, christlich zu heiraten. Stumm blieb sie auf der Bank sitzen. Sie rührte sich nicht. Völlig in Gedanken versunken. Tränen rannten ihr über die weichen Wangen. Sie schien ihre Umgebung zuvor nicht richtig realisiert zu haben. Denn ein letzter Gast richtete sich auf und näherte sich ihr. Sie bemerkte ihn nicht einmal, als er sich neben sie setzte.
>>Frau Yoshimoto?<<
Keine Antwort.
>>Frau Yoshimoto? Daran muss ich mich erst einmal gewöhnen.<<
Sie erkannte zwar nicht die Person, die neben ihr saß, aber sie vernahm eine vertraute Stimme. Diese Stimme passte gar nicht zu der Person neben ihr. Dann brach sie in Tränen aus und umarmte Sakurasada. Er hatte sich verändert. Seine größe musste nun um die 1,85 Meter betragen. Seine Haare waren beinahe schulterlang. Und in dem Boss Anzug, der perfekt auf seine Figur zugeschnitten war, sah er einfach unwiderstehlich aus.
>>Sakura. Du verdammter Idiot.<<
Sakurasada lächelte und nahm sie zur Begrüßung in die Arme. Fast wie auf den Natsume Hills, verharrten die beiden lange schweigend in der gleichen Position. Nur diesmal schauten sie nicht in den nächtlichen Sommerhimmel, sondern auf ein Fresko an der Decke, welches sowohl das Ende der Welt, als auch einen Neubeginn symbolisierte. Ihre persönliche Sintflut hatte längst statt gefunden. Doch waren sie schon bereit für einen Neuanfang?
Kotono bemerkte nicht, wie die Zeit verging. Sie interessierte nicht, wo sich ihr Ehemann und die ganzen Gäste befanden. Sie alberte mit Sakurasada rum, unterhielten sich über alte Zeiten und vergaßen die Welt um sich herum. Es war eine klassische Liebesgeschichte. Voller Klischees und ohne Happy End. Aber das zählte in diesem Augenblick nicht. Sakurasada erzählte ihr von seinen Erlebnissen in Deutschland, und wie es sich von ihrer Heimat unterschied.
>>Ich habe fast all deine Spiele verfolgt, Sakura. Genau wie dir mein neuer Name fremd vorkommen dürfte, zucke ich immer wieder zusammen, wenn ich dich im Fernsehen sehe, und der Kommentator den Namen Murakami ausspricht.<<
>>Aber ich hieß doch schon immer Sakurasada Murakami<<, gab er, mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck wieder, gefolgt von seiner tiefen Stimme.
>>Nein, du Blödi, dass meine ich doch gar nicht<<, gab Kotono kichernd zurück. >>Ich meine, für mich bleibst du immer der kleine, schüchterne Sakura, der immer Angst vor Mädchen hatte. Sag, was empfindest du? Es muss doch schlimm für dich gewesen sein hier her zu kommen.<<
Sakurasada überlegte eine Weile. Lehnte sich dann aber relaxed zurück.
>>Ich freue mich für dich.<<
>>Das beruhigt mich.<<
Stille.
>>Du darfst ruhig für eine Weile Frau Yoshimoto sein. Hab da nichts gegen.<<
Kotono war verdutzt. Außerdem konnte sie immer noch nicht die Blicke von dem stattlichen Mann lassen, der da neben ihr saß. Das aufgeknöpfte Weiße Hemd, dachte sie, wirkte rebellisch. Eine Spur der Gelassenheit machte sich bei ihr breit. Sie ertappte sich bei Gedanken, die sie in diesem Augenblick besser nicht denken sollte. Sie kehrte schnell zur Realität zurück und machte sich Gedanken über seine Worte.
>>Wie meinst du das?<<
Sakurasada fing an zu grinsen.
>>Kotono, dir sollte es doch klar sein. Du wirst irgendwann Frau Murakami sein.<<
>>Rede keinen Unsinn. Was ist los mit dir?<<
Kotono schaute fragend und besorgt drein.
>>Ich kann dir leider momentan nicht das bieten, was dir zusteht. Daher wird das ein anderer Mann für die nächste Zeit tun. Ich bin damit einverstanden. Heute, hier, in dieser Kirche, werden wir eine Abmachung treffen. So kitschig und widerlich romantisch es auch klingen mag.<<
Das klang schon wieder mehr nach dem Sakurasada, den sie kannte, dachte Kotono. Der großkotzige Sakurasada, so klang er immer, wenn er mit  seinen Freunden in der Schulmannschaft beisammen saß. Völlig überheblich. Aber süß.
>>Eine Abmachung<<, lächelte Kotono ihn an. >>Dann mal raus damit.<<
>>Es mag in weiter Ferne liegen, aber ich möchte das du mich ernst nimmst. Ich werde zu dir als ein Gemachter Mann zurückkehren. Und um mir selber zu beweisen, dass ich das auch schaffe, werde ich die Sache ein wenig erschweren. Ich werde dir versprechen, unser Land mindestens ins Halbfinale der kommenden Weltmeisterschaft zu schießen.<<
Erneutes Schweigen. Plötzlich brach Kotono in Gelächter aus.
>>Das ist nicht dein ernst, oder?<<
>>Doch, ist es. Sollte ich es nicht einmal in die Mannschaft schaffen, oder sollte ich später im Turnier bereits vor dem Ziel scheitern, dann bleibst du Frau Yoshimoto.<<
>>Du bist doch verrückt! Sakura. Du hast den Hang zur Realität verloren.<<
Kotono wusste jedoch längst, dass er einen Entschlus gefasst hatte. Er war doch immer noch der kleine Sakura von Damals. Er dachte immer noch wie ein Teenager. Völlig verspielt. Dann umfing sie plötzlich ein warmes Lächeln. Es kam aus ihrem tiefsten Inneren. Sie wusste nicht genau, woher es kam, aber es tat gut.
>>Ok Sakura, Wenn du Japan ins Halbfinale oder noch weiter bringen solltest, werde ich Frau Murakami. Ich hoffe aber du weißt, wie absurd das ganze ist.<<
>>Schwöre es mir. Wenn dir wirklich etwas an mir liegt, schwöre es.<<
>>Du weißt schon, dass du dich gerade auf meiner Hochzeit befindest, oder? Was du verlangst ist an sich schon unmöglich. Und du verlangst von mir also, egal wie mein Leben verlaufen wird, in den kommenden Fünf Jahren, dass ich dann alles für dich hinschmeißen werde?<<
>>Es mag hart klingen, aber ja.<<
Kotono sprach plötzlich, ohne das sie es wollte, Worte aus, die sie vielleicht, so unwahrscheinlich es auch sein mochte, später vermutlich noch einmal bereuen würde.
>>Ich schwöre es dir, du Träumer.<<
Dabei küsste sie ihn auf dem Mund. Völlig losgelöst von ihren moralischen Verpflichtungen. Danach schwiegen sie wieder und starrten, jeder für sich, in Gedanken versunken, an die Decke.




4.
Verlängerung Runde 2


Jetzt:  Fußballweltmeisterschaft Nordamerika/Kanada. Los Angeles. Viertelfinale: Japan Vs. Niederlande. Elfmeterschießen.


Sakurasada Murakami, der letzte Schütze der japanischen Nationalmannschaft, analysierte immer noch das Tor vor ihm. In der Realität vergingen nur Augenblicke. In seinen Gedankengängen allerdings Jahre. Sein ganzes Leben spielte sich noch einmal von vorne ab. Seine Schulzeit, seine Beziehung mit Kotono und auch das große Erdbeben von Sendai, seiner Heimat, welches ihm so viele seiner Freunde nahm. Der Treffer war schlicht und ergreifend die Pflicht, die er gegenüber seinen verstorbenen Freunden hatte. Würde er das vermasseln, welchen Sinn hätte es dann noch gehabt, mit irgendwas weiter zu machen? Welche Ziele hätte er dann noch gehabt? Lediglich der Gedanke an Kotono hatte ihn die letzten Jahre solche Leistungen auffahren lassen. Und er wusste auch genau, dass sie niemals, egal wie dieses Spiel nun ausginge, zu ihm zurückkehren würde. Aber er musste sich ein Ziel setzen, um da hin zu kommen, wo er nun, in diesem Augenblick, stand. Mehrmals blickte er durch die Zuschauerränge. Vielleicht, ob Kotono wirklich da war. Ganz heimlich, wie er, vor Fünf Jahren auf ihrer Hochzeit. Aber natürlich war es unmöglich, unter zehntausenden von Fans Kotono zu erblicken. Er ahnte jedoch nicht, dass weit oben in den Rängen, entfernt von allen Fan-Gruppierungen, eine fünfundzwanzig Jahre alte, bildhübsche Frau mit ihrer drei jährigen Tochter saß und ihren Blick nur auf ihn fixierte. Kotono blieb keine andere Wahl. Sie war mit Sakurasada verbunden. Er hatte seinen Teil der Abmachung eingelöst. Sie konnte nicht anders, als ihre Sachen zu packen, und, wie in Trance, in die USA zu jetten. Im Schlepptau, ihr Ein und Alles. Sakura, ihre kleine Tochter. So tief war er ihn ihrer Seele verankert, dass sie ihr seinen Namen gab. Kotono wusste, normal war ihr Verhalten nicht. Diese ganze Geschichte nahm völlig verrückte Wendungen. Und sie konnte nichts dagegen tun. Die kleine Sakura zupfte sie jedoch an ihre Bluse. Holte sie aus ihren Träumen zurück. Als ob sie wüsste, was da unten, auf dem Rasen, vor sich ging. Und Kotono bemerkte, nun würde die Entscheidung fallen. Der letzte japanische Schütze setzte zum Schuss an.


Vergeblich blickte Sakurasada ein letztes mal durch die Ränge. Er machte sich bereit, Anlauf zu nehmen. Das Tor von Rashomon und seinen Wächter fixiert. Der nächste Schuss würde entscheiden. Ein Geschenk an die Heimat, die er so sehr liebte.


Sakurasada Murakami, Spielernummer 25, rannte auf den Ball zu, bereit, ihn zu kicken. Seine Lippen von einem leichten lächeln umspielt, zog er ab. Ein Raunen in den Rängen ertönte. Kotono, ihre Augen fest verschlossen, ihre kleine Tochter im Arm, lächelte ebenfalls aus ihr unerklärlichen Gründen. Hier, das wusste sie jedoch längst, würde die Geschichte nach einer solch langen Zeit endlich ein Ende finden.


Es war ein heißer Sommerabend in Los Angeles. Und die Fans aus dem Stadion waren noch bis tief in die Nacht zu hören. Und der Wind wehte, ganz leise, Worte aus einer entfernten Vergangenheit durch die Lüfte: "Ganbatte, Sakura. Ganbatte. Gib alles, was du hast".




Ende


Anmerkung
Ganbatte, Japanisch für: Gib dein Bestes oder einfach nur: Viel Glück.


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